ein Blogbeitrag von Torsten Brügge

Auf einen vor Lebensgefahr flüchtenden Menschen aus den "Südstaaten" kommen 99 in relativ sicheren Verhältnissen lebende Menschen in den "Nordstaaten"

Dieser Tage werden die Nachrichten von Bildern beherrscht, auf denen immer wieder große Mengen von Flüchtlingen zu sehen sind. Dies erweckt leicht den Eindruck einer "Überschwemmung" mit "Flüchtlingswellen" der westlichen, europäischen Gesellschaft mit flüchtenden Menschen aus südlichen Krisenregionen.

Ich kam auf die Idee, die tatsächlichen Zahlen aus einer größeren globalen Perspektive zu betrachten und fragte mich: Wie viele Flüchtlinge gibt es weltweit? Und wie steht diese Zahl im Verhältnis zu der Einwohnerzahl jener Staaten, die die Kapazitäten für eine Aufnahme der Flüchtlinge hätten? Rechnen war angesagt.

Meine 13 Punkte für Mathe im Abi-Zeugnis sind Jahrzehnte her. Die synaptischen Verbindungen in meinem Gehirn, die es im Alter von 16 noch liebten, sich in mathematischen Beweise oder komplizierten Integralrechnungen zu verzweigen, sind wohl längst wieder verschrumpelt. Doch etwas Addition und auch ein wenig Prozentrechnung schafft mein Geist heutzutage noch gerade so eben.

Ich gebe zu: Folgende Zahlen entstammen einer Kurzrecherche von ca. 2 Stunde im Internet und dürfen gerne korrigiert werden. Auch die simplen Rechenbeispiele sind weder hohe Mathematik, noch tun sich durch sie realpolitische Lösungen auf. Aber trotzdem will ich die Zahlenspiele hier aufführen. Das könnte hitzige Gemüter, die angesichts der  anstehenden "Flüchtlingswellen" - oder vielleicht besser den "Flüchtlingstropfen" -  dazu neigen, in Panik zu geraten und darüber manchmal auch in eine aggressive Haltung Flüchtlingen gegenüber zu verfallen, vielleicht etwas beruhigen.

Hier also meine Rechenspiele: Auf unserer Mutter Erde leben im Moment ca. 7 Milliarden Menschen. Nach Bericht der UNHCR* sind davon ca. 60 Millionen Menschen auf der Flucht oder haben einen "Flüchltings ähnlichen" Status. Davon haben ca. 80 bis 85 % nicht die Möglichkeit, ihre Region oder ihren Staat zu verlassen - es sind also "Binnenflüchtlinge". Gehen wir deshalb mal von 20% "mobilen" Flüchtlingen aus. Nach Adam Riese kommt man dann auf 12 Millionen "mobile Flüchtlinge" weltweit. Deren "Mobilität" sieht traurigerweise oft so aus, dass sie sich auf brüchigen Schlepperbooten oder in dubiosen  Schlepperlastwagen in höchste Lebensgefahr begeben müssen - und nicht selten kommen sie darin um. Wenn sie es doch bis an die Grenzen der Zufluchtsländer schaffen, müssen sie sich oft im Tränengasnebel durch rasiermesserscharfe Stacheldrahtgrenzzäune zwängen.

Nehmen wir mal an, all diese 12 Millionen Flüchtlinge - und für den Großteil stimmt das - kommen aus den meist armen und krisengeschüttelten Südstaaten und bitten in den meist wesentlich wohlhabenderen Nordstaaten um Asyl. Die Gesamtzahl der Einwohner in den - von mir unten aufgeführten Nordstaaten- , zu denen die Flüchtlinge meist wollen, lautet: 1402 Millionen (Addition von: 742 Millionen Europa, 530 Millionen  Nordamerika, 130 Millionen Japan)

Setzt man die weltweit 12 Millionen mobilen Flüchtlinge zu den 1400 Millionen Einwohnern der Nordstaaten ins Verhältnis, ergibt sich die beeindruckend kleine Zahl von 0,85%. IM KLARTEXT: Würden alle Flüchtlinge 2015 weltweit gleichmäßig gemäß der nationalen Einwohnerzahl auf alle relevanten Nordstaaten aufgeteilt, müssten jeweils 99 Bürger einer Nation ungefähr EINEN Flüchtling aufnehmen.

(Ich sage hier übrigens nicht, dass ein solcher Verteilungsschlüssel gerecht wäre. Fairer wäre zum Beispiel auch die Wirtschaftskraft einzelner Staaten einzubeziehen.)

Diese Zahl macht doch eines deutlich: Vorausgesetzt es gäbe eine internationale Solidarität, müsste es locker möglich sein, dieses EINE PROZENT Flüchtlinge aufzunehmen, ohne dass es dadurch zu erheblichen Verwerfungen im sozialen Gefüge der Nordstaaten kommen sollte?

Und selbst wenn Deutschland wegen der Berücksichtigung seiner Wirtschaftskraft vielleicht zwei oder drei Flüchtlinge auf 100 Einwohner aufnehmen müsste, wäre das wohl kaum der Untergang unserer Sozialsysteme. Hinzukommt das Asyl ja auch bedeutet, dass bei einer Beruhigung der politische Situation in den Fluchtländern, die Asylanten meist selbst wieder zurückkehren wollen oder auch zurückreisen müssten.

Sicher stellt es eine enorme Herausforderung da, die Flüchltingstropfen wirklich fair auf alle Nationen - und bitte auch mit auf die USA - zu verteilen. Denkbar wäre es aber allemal.

Mit diesen Zahlen will ich nicht in Abrede stellen, dass sich die Herausforderung in den nächsten Jahren zahlenmäßig wesentlich größer darstellen könnte. Auch der Sachverhalt, dass eine Gesellschaft ab einem gewissen Grad der Aufnahme von Flüchtlingen überfordert sein könnte, muss diskutiert werden. Wesentlicher scheint mir sogar, die Ursachen für die Krisen, welche diese Flüchtlinsbewegungen auslösen, zu erkunden und Lösungen zuzuführen. Dabei würden wir vermutlich herausfinden, dass die "Nordstaaten" eine erhebliche Mitverantwortung für die Entstehung von Krisen und Armut in den südlichen Regionen tragen.

Hier nur mein Plädoyer für den Moment: Lasst uns die "Flüchtlingsbewegungen" immer mal wieder im Gesamtverhältnis zu der Menge von Menschen sehen, die - Gott sei Dank - in relativ sicheren Verhältnissen leben und das Potential hätten zu helfen.

Torsten Brügge, Hamburg 11.9.2015

* http://www.unhcr.de/home/artikel/f31dce23af754ad07737a7806dfac4fc/weltweit-fast-60-millionen-menschen-auf-der-flucht.html