Mein erster Blog in diesem neuen Format ... mal sehen, ob das alles klappt ...

Als aktuellen Anlass nehme ich eine Stelle aus dem gerade erschienenen Heft von »Tattva Viveka« (Titelthema »Keine Angst vor Sekten«), ein Zitat von meinem Freund und Kollegen Ron Engert, dem Herausgeber und Inhaber dieser Zeitschrift. (Wir haben seit vielen Jahren Abotausch und treffen uns auch dann und wann, auf der Buchmesse oder auf Konferenzen). Er hat dort das Buch »Erleuchtung – Phänomen und Mythos« rezensiert, das auf 700 Seiten mehr als 40 Beiträge von sogenannten »Erwachten« aus der Satsang-Szene zusammenfasst. Ein Buch, das Katharina Ceming bei uns sehr positiv rezensiert hat. Ron aber hat dazu gemischte Gefühle: 

 

»Der Spagat zwischen spiritueller Erleuchtung und menschlichen Schwächen wird öfters diskutiert. Es gibt also schon einiges an Reflexion und selbstständigen Einsichten in den Reihen der Satsang-Gemeinde. Mir scheint es indes so zu sein, dass sie nicht wegen, sondern trotz der unsäglichen Theorie des Advaita so nach und nach zu wahren Einsichten kommen. Insbesondere zur Einsicht, dass wir immer noch Menschen mit einem Ich und mit Gefühlen sind. Bei manchen Beiträgen erscheint dies jedoch eher als Freibrief, sich wie ein Dummkopf benehmen zu dürfen. …. irgendwie scheint mir mit der zugehörigen Philosophie etwas nicht zu stimmen. … Der Advaita-Quellcode macht für mich einfach keinen Sinn.«

Ron, der mehr der traditionellen Hindu-Philosophie zuneigt als dem eher buddhistischen oder dem Advaita zugewandten Zeitgeist, hat das sehr schön auf den Punkt gebracht. Der »Quellcode«, stimmt er nun, oder stimmt er nicht? Mich erinnern seine Worte an den uralten Gegensatz zwischen Buddhismus und Hinduismus/Brahmanismus in Indien, dem Wunderland der Religionen. Dort hat vor gut 2.500 Jahren Buddha als »Anattavadin« (Lehrer des Nicht-Selbst) sich vom Brahmanismus abgesetzt, indem er sagte: Das Selbst ist eine Illusion. Während die Brahmanen sagten: Atman = Brahman, das Selbst ist Gott. (Das Selbst wird im Sanskrit Atman genannt. In Pali, der Sprache des Buddha heißt es Atta. Das Gegenteil davon ist Anatta– Nicht-Selbst.)  

Wer von den beiden hat Recht? 

Ich finde diese Frage sehr wesentlich und werde ihr deshalb nun wieder mal einen Connection-Schwerpunkt widmen: »Erwachendes Bewusstsein« ist das Titelthema unserer Mai-Juni Ausgabe, die zugleich den gleichnamigen Kongress in Freudenstadt vorbereitet, an dem ich sieben dieser sogenannten Erwachten auf der Bühne befragen werde, und auch unser Mai-Juni Heft wird dem nachgehen. 

Hier schon mal die Kurzfassung meines Fazits: Beide Seiten haben recht! Es ist sowas wie der Gegensatz zwischen der via positiva und der via negativa in der europäischen Mystik. Entweder »ich« bin alles, oder ich bin nichts. Vor dieser absoluten Wahrheit aber gibt es noch eine relative Wahrheit, und dazu gehört, dass du und ich und wir alle Persönlichkeiten haben und als solche sehr verschieden sind, sogar einzigartig. 

Auf jeden Fall stimme ich Ron in der Hinsicht zu, dass in der Satsang-Szene, bei den Advaita-Fans »etwas nicht stimmt«. Aber es ist nicht der Quellcode, der da nicht stimmt. Den finde ich ganz okay, aber der Umgang damit, das ist es, wo das Irren beginnt.